Neues Gesetz über das Strafverfahren in Ungarn – ab 01.07.2018

Am 1. Juli 2018. wird das neue Gesetz Nr. CX von 2017 über das Strafverfahren in Ungarn in Kraft treten. Das geltende Gesetz ist Nr. XIX von 1998. Die wichtigste Grundlagen, bzw. Maßnahmen eines Strafprozesses werden in dieser Artikel erklärt.

I. Grundlagen:

Auf das Verfahren bezieht sich einige wichtige Prozessmaximen, die einerseits im Gesetz über das Strafverfahren, andererseits aber in anderen Gesetzten, wie im Gesetz über die Gerichten, oder die Staatsanwaltschaft geregelt sind. Die wichtigsten davon sind Rechtmäßigkeit, sowie Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Teilnehmer des Verfahrens, Gleichgerechtigkeit vor dem Gericht, sowie Unschuldsvermutung, faires Strafverfahren, Grundsatz der Öffentlichkeit, und Recht zum Rechtsbehelf.
Das Strafverfahren besteht aus mehreren Teilen: Investigation, Anklageerhebung, Verhandlung in erster Instanz, Rechtsbehelf, Verhandlung in zweiter Instanz, eventuell unordentliche Rechtsbehelf, und Vollzug.

II. Ermittungsverfahren:

Investigation beginnt entweder mit einer Klage, oder von Amts wegen und kann von der Polizei oder – bei bestimmten Straftaten – der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden. Nach der Beendigung der Investigation haben die beschuldigten Personen das Recht, über die während der Investigation entstandene Dokumente Kenntnis zu erlangen.
Mit der Anklageerhebung gerät das Verfahren in eine neue Sektion: im Folgenden läuft es vor dem Gericht. Grundprinzip, dass die Verfahren vor dem Kreisgericht beginnen, abgesehen von einigen Straftaten, wie Mord, Vermögensstraftaten in Bezug auf einen besonders hohen oder darüber liegenden Wert (ab 500.000.000,- Forint), oder bei der Freiheitsstrafe von mindestens 15 Jahre gegeben werden kann. In diesen Fällen gehören in das Zuständigkeitsbereich des Gerichtshofs. Der Gerichtshof besteht aus einem professionellen Richter und zwei sog. Maître des requêtes, die Laienrichter sind. Diese Vorschriften gelten für gutes Beispiel für die Einziehung der Laien sowie für in sog. Kollegien verfahrenen Richter. Grundsätzlich läuft das Verfahren vor dem zuständigen Gericht, wo der Straftat begangen wurde. Ausnahmefälle – wie Gefährdung bei der Berufsausübung, Straftaten gegen die Verkehrssicherheit, oder Wirtschaftsbetrug – sind aber im Gesetz bestimmt, wenn das Gericht, das sich im Verwaltungssitz eines Komitats tätig ist.
Neben den Untersuchungsbeamten, Staatsanwälte und Richter spielen natürlich die Beschuldigten und ihre Rechtbeiständen auch eine große Rolle.

III. Rechte der beschuldigten personen:

Das Strafverfahrensgesetz ernennt genau die Rechte der beschuldigten Personen, die in zwei Gruppen gegliedert werden können. Einerseits haben sie Recht, über das Verfahren Informationen zu erlangen, andererseits können sie den Verlauf des Verfahrens „vorne“ bringen. Dementsprechend haben sie Recht auf die gleiche und gerechte Behandlung während des Verfahrens vor dem Gericht, sowie das sog. rechtliche Gehör, nämlich das Recht, in Akten einzusehen, Beweisanträge zu stellen, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen und sich während solcher Verhandlungen zu äußern (z.B. Fragen den Zeugen stellen usw.).

Die andere große Gruppe von Rechten einer beschuldigten Person sind die sog. Informationsrechte. Dazu gehört, dass er über den Inhalt der Beschuldigung Kenntnisse erlangen kann, sowie die Beschuldigtenrechte in engsten Sinn, vor allem das Schweigerecht. Besonders wichtig ist, dass die Aussage eines Beschuldigten nicht vor dem Gericht verwendet werden kann, falls er die Aufklärung bezüglich seiner Rechte von Behörden nicht erhalten hat.

IV. Recht auf die Verteidigung:

Mit dem Recht auf Verteidiger der beschuldigten Person kommen wir zu dem nächsten Punkt. Die beschuldigte Person ist berechtigt, in jedem Verfahrensschritt einen Privatverteidiger in Anspruch zu nehmen. Kann der Beschuldigte keinen Verteidiger bevollmächtigen, ist es aber anhand des Gesetzes notwendig, wird ein Verteidiger von der Staat zu jeweiliger Angelegenheit abgeordnet. Der Verteidiger hat auch Informationsrechte, er ist berechtigt, z.B. bei einem polizeilichen Einvernahmen anwesend zu sein und Fragen zu stellen.

Trifft das Gericht eine Entscheidung, kommt das Verfahren in erster Instanz zum Ende. Gegen dem Urteil sind Rechtsbefehle von Beschuldigten, bzw. seinem Verteidiger, sowie der Staatsanwaltschaft innerhalb von 3 Tagen einreichbar. Wird das Urteil per Post zugestellt, wird die erwähnte Frist auf 8 Tagen verlängert. Das Gericht in zweiter Instanz ist zuständig, über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens in erster Instanz zu entscheiden. Grundprinzip in diesem Verfahrensschritt das sog. Verbot der Erhöhung des Urteils von dem Gericht erster Instanz zu Lasten der beschuldigten Person. Trifft das Gericht zweiter Instanz eine Entscheidung, wird sein Urteil rechtskräftig, unregelmäßige Rechtsbefehle sind nur anwendbar.

V. Strafvollzug

Ist ein rechtskräftiges Urteil vorhanden, kommt das Verfahren in einem nächsten Verfahrensschritt, nämlich im Strafvollzug an. In welchem Justizvollzugsamt die verurteilte Person ihre Freiheitsstrafe verbringen muss, hängt von der Straftat ab, den man begangen hat. In Ungarn unterschiedet man zwischen hohes (Zuchthaus), mittleres (Gefängnis) und niedriges (Arrestanstalt) sicherheitsstufiges Vollzugsinstitut, wo Frauen und Männer, Jugendliche und Erwachsene, Kranke und Gesunde differenziert werden. Ist ein Täter psychologisch krank, ist er aber strafbar, wird sein von strafrechtlich verordnetem Freiheitsentzug in einer speziellen Klinik für psychisch kranke Straftäter vollzogt.
Das Gericht kann in seinem Urteil davon entscheiden, wann die bedingte Entlassung aus der zeitigen Freiheitsstrafe am frühesten möglich wird. Ist der Täter ein mehrfacher Wiederholungstäter, ein gewalttätiger mehrfacher Wiederholungstäter, oder hat er die Straftat in einer kriminellen Vereinigung begangen, ist die bedingte Entlassung untersagt.

Diese Artikel hat schon einen Vorläufer im Thema Strafrecht. In der vorigen Artikel wurde die Grundlagen des ungarischen Strafrechts sowie das Gesetz Nr. C von 2012 erörtert.

Haben Sie noch Fragen bezüglich ungarischen Strafrechts oder brauchen Sie einen Rechtsanwalt oder Strafverteidiger in Ungarn? Wir stehen gerne zu Ihrer Verfügung.

dr. Dobos István Rechtsanwalt / Attorney at Law / ügyvéd

e-mail: dobos@doboslegal.eu

Tel.: +36303088151

Unsere Artikel über ungarisches Strafverfahren in English (criminal law):

Business Criminal Law in Hungary
Overview of the criminal procedure in Hungary